Es wird Zeit für die Übernahme von Verantwortung
Fußball ist mehr als nur ein Sport. Als ich im Alter von 12 Jahren in die D-Jugend meines Heimatvereins SG Massen eintrat, wurde es mir sogleich vorgelebt. Es interessierte nicht meine Schulbildung, mein Elternhaus, nicht meine Klamotten oder mein tolles Fahrrad. Vor meinem Trainer, Herrn Deutscher, waren alle gleich. Ihn interessierte in erster Linie das Miteinander. War das gegeben, kam der sportliche Erfolg von ganz alleine. Und so lernte ich auch abseits der Eltern Respekt, lernte Jungs schätzen, die ich anders vielleicht nie kennen gelernt hätte.Ich lernte zudem mit Ungerechtigkeiten zu leben. Wenn der Gegner schwächer war und trotzdem gewann. Wenn der Trainer mich auf der Bank ließ, obwohl ich gut trainiert hatte. Wenn der Schiedsrichter falsch pfiff. Ich lernte, daß es Erfolg nur im Miteinander gab und auch Niederlagen so am Ende leichter zu ertragen waren. Fußball als Schule für das Leben, Fußball als Vermittler von Werten.
Am letzten Wochenende wurde ein 22-jähriger Schiedsrichter in der Kreisklasse von einem wütenden Spieler bewusstlos geschlagen. Gestern beschmierten Asoziale aus Saarbrücken den Kölner Mannschaftsbus mit dem Schriftzug „Hurensöhne“ und anderen Beschimpfungen. Verbale Entgleisungen und Gewalt sind auch in der Bundesliga mittlerweile wieder Alltag. Von den Pöbeleien und der tägliche Hetze in den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen. Es wird Zeit, daß sich etwas ändert. Es wird Zeit, daß vor allem die Profiklubs nicht mehr ausschließlich in den vermeintlichen Erfolg investieren. Es wird Zeit für die Übernahme von Verantwortung.
Wer, wenn nicht der Fußball, kann diese Rolle übernehmen. Die Politik kreist um sich selbst, Kirchen haben ihre Relevanz verloren. Der Fußball kann der soziale Kitt sein. Kein anderer Sport schafft es, alle Gesellschaftsschichten unter ein (Stadion)Dach zu bringen. Hier ist es noch wie damals bei der SG Massen. Hier ist jeder gleich.
Von daher vermisse ich das Zusammenstehen der Vereine, vermisse die gemeinsame Botschaft, vermisse die spektakuläre Aktion, die unsere Gesellschaft aufhorchen lässt.
Fußball ist mehr als ein Sport. Mehr als Kommerz, mehr als Erfolg.
Die deutschen Profiklubs täten gut daran, sich dieser Verantwortung zu stellen. Denn sterben die Werte des Fußballs, was bleibt dann noch?
#takingcareoffootball
© Stefan Backs