Fußball ist mein Sport. Als Kind habe ich täglich den Ruhrgebiets-Triathlon durchlaufen: Schule, Hausaufgaben, Fußball zwischen Wäschestangen. Ok, manchmal war es auch nur ein Duathlon. Der ganze Tagesablauf konzentrierte sich auf den einen Punkt. Treffen der Jungs um Drei auf der Wiese. Später ging es dann in den Verein. Manchmal wurden so aus Freunden Gegner. Aber ich merkte schnell, daß Fußball mehr ist als nur ein Sport. Derselbe R., dem ich in der Schule die simpelsten Dinge erklären mußte, hatte einen deutlich besseren Kopfball als ich. M., der sich mit den Mädchen so schwer tat, wechselte früh zu einem größeren Klub. Weil er der Beste von uns war.
All das und noch viel mehr beobachtete ich quasi nebenher. Zusätzlich zum reinen Spiel. Und lernte, daß jeder eine Oberfläche hat, ich den wahren Kern aber erst in den vielen Trainingseinheiten und Spielen erkannte. War der leider schon verstorbene C. im wahren Leben schüchtern, so konnte er auf dem Platz zum Tier werden. Zusammenfassend und simpel kann man also sagen: Fußball lehrt Respekt. Die unterschiedlichsten Menschen können nur zusammen ihre Ziele erreichen. Und vor dem Schiedsrichter sind alle gleich.
Übertragen auf das reale Leben frage ich mich, wo all das geblieben ist. Moralische Überlegenheit, Hochnäsigkeit, Herablassung, der Glaube, man sei allein im Besitz der einzig gültigen Wahrheit, macht unser Leben mittlerweile extrem schwer. Weil es Fronten schafft. Warum glauben mittlerweile so viele, sie seien der Spielmacher? Was ist unsexy daran, ein guter Innenverteidiger zu sein? Warum bedeutet es vielen so viel, laut zu sein und wichtig? Denn am Ende geht es nur als Team. Das ist Fußball. Und so verachte ich heute wie damals die, die sich in den Vordergrund spielen. Die, die anderen ihre Meinung aufdrücken wollen und keine andere gelten lassen. Die, die glauben, sie entscheiden ein Spiel alleine. Die, die ohne Kapitänsbinde beleidigt gehen. Die, die glauben, alles drehe sich nur um sie. Die, die sich für etwas Besseres halten.
Mein Freund Quelle ist heute Personalleiter in einer großen Firma. Er sagte mal zu mir, daß er seinen Job niemals so gut machen könne, hätte er nicht jahrelang Fußball gespielt. Charaktere und Befindlichkeiten einzuordnen, nicht alles gleich an die große Glocke hängen, alle mitnehmen, Gemeinschaft schaffen, das ist unter anderem sein Job. Und auch, wenn es partout nicht anders geht, sich von Leuten zu trennen. Denn über allem steht das Große Ganze, nicht der Einzelne.
Vielleicht täte es unserer Gesellschaft ganz gut, müsste jeder mal verpflichtend für fünf Jahre in einem Fußballteam spielen. Es würde manch Hochnäsigen und Großkotz auf den Boden der Tatsachen oder der Aschenbahn bringen. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.